Sommermärchen mit Wegwarte August 2011


Sie steht bescheiden am Wegesrand, an Böschungen und in Pflasterfugen. Sie wartet – der Sage nach ist die Wegwarte eine verzauberte Prinzessin, die auf ihren Traumprinzen wartet. In kühlem Blau leuchten die Blüten der Pflanze wie romantische Augen, die Ausschau halten. Stets bewahrt sie Haltung und krallt sich mit langer Pfahlwurzel in den Boden.

 

Schon kurz nach Mittag wird die Adelige müde, denn sie muss viel Abgase, Staub und Dreck schlucken. Traurig mit verwelkten Blüten erscheint sie grau und trostlos. Aber die Wegwarte gibt niemals auf. Sie tankt Kraft, um am folgenden Tag wieder die Blüten am frühen Morgen zu öffnen. Auf der Suche nach dem Liebsten wartet sie geduldig von Juli bis Oktober, stets mit den Blüten dem Sonnenstand folgend. Im Winter zeigt sie ebenfalls Durchhaltevermögen, denn die Pfahlwurzel schlummert kältegeschützt im Boden.

 

Und wenn sie nicht ausgegraben wurde, dann wartet die Prinzessin noch heut!

 

Die Wegwarte ist schon im alten Ägypten, ebenso wie für die Griechen und Römer ein wichtiges medizinisches Kraut gewesen. Sie wurde auch als Gemüse und Salat verzehrt.                                                                       

 

Der Salat aus jungen Wegwartenblättern enthält viele Bitterstoffe. Diese regen den Verdauungsstoffwechsel an. Besonders der Gallefluss wird aktiviert und sorgt für gute Bekömmlichkeit von Schwerverdaulichem, besonders von Fleischspeisen. 

Die ausgegrabenen Wurzeln können wie Chicorée (eine Verwandte) als Salat für die Wintermonate vorgetrieben werden. Dazu schneidet man im Herbst die vergilbten Blattreste wenige Zentimeter über der Wurzel ab. Durch leichtes Klopfen wird restliche Erde entfernt. Sie werden dann in einen Eimer mit feuchtem Sand gesteckt und kühl gelagert. Durch Wärme und regelmäßige Feuchtigkeit wird das Wachstum schließlich aktiviert.  Nach einigen Wochen sprießen mehrere Triebe, die als Wintersalat gegessen werden.

 

Wegwartenwurzel und – blätter wirken als großartige Entgifter für den Organismus und helfen sogar Schwermetalle aus dem Körper zu schleusen. Sie wirken harntreibend und können zur Behandlung von Rheuma und Gicht eingesetzt werden, indem sie den Harnsäurewert senken. Eine Kur mit Wegwartentee oder Tinktur wäre dann empfehlenswert. Gute Begleiter im Entgiftungstee sind z.B. Wurzeln von Löwenzahn, Engelwurz und Gelber Enzian. Der beste Zeitpunkt für diese Kuren ist das Frühjahr und der Herbst.

 

In Kriegszeiten wurden die Wurzeln der Wegwarte kleingeschnitten und getrocknet als  Kaffeeersatz „Muckefuck“ aufgebrüht. Noch heute ist der Zichorienkaffee in Naturkostläden und Reformhäusern zu erwerben.

 

Die Wegwarte lässt sich leicht im Garten und Kübel kultivieren.

 

 

© Heidi Schröder