Manche mögen’s bitter Dezember 2011


Energie, Wohlbefinden und innere Wärme – wer wünscht sich das nicht in dieser kalten und dunklen Jahreszeit? Alte Volksweisheiten geben uns wertvolle Tipps: sauer macht lustig, Haferstroh macht froh, bitter macht warm ums Herz…

 

In der Tat sind die Bitterstoffe vieler Heilkräuter und Gewürze seit Jahrtausenden als Universalmedizin eingesetzt worden. Sie sind die Hauptbestandteile vieler überlieferter Arzneirezepturen, wie z.B. in Lebenselixieren (Schwedenbitter). Aus dieser Zeit stammt wohl auch die Bezeichnung „Bittere Medizin“. Bitter ist nicht nur erwärmend, sondern wirkt mutmachend, ist verdauungsfördernd, blutbildend, herzstärkend, stimmungsaufhellend, beseitigt Antriebsschwäche und stärkt die Rekonvaleszenz nach fiebrigen Erkältungskrankheiten. In der Pflanze selbst ist der Bitterstoff ein biologischer Abwehrstoff gegen Fressfeinde, welcher hauptsächlich in den Wurzeln eingelagert ist.  

 

Der bittere Geschmack ist wegweisend für die Heilwirkung. Er wird mit dem sogenannten Bitterwert angegeben. Ein Wert von 1:10.000 heißt, dass 1g Kraut in 10.000ml Wasser noch gerade als bitter geschmeckt wird.

 

Favoriten sind: Gelbe Enzian (Gentiana lutea) mit 1:10.000-30.000, Wermut (Artemisia absinthium) mit ca.1:10.000-20.000 und Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) ca.1: 2.000-10.000 Bitterwert.

 

Den höchsten Wert hat der isolierte Bitterstoff Amarogentin des Gelben Enzians 1:58 Mill. (das kriegt keiner mehr runter!).

 

Die Geschmacksempfindung von bitter ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Wer gern bitter mag, sollte das seinem Körper auch anbieten. Es muss ja nicht immer ein Schnaps sein, ein bitterer Salat ist ebenfalls bestens geeignet. Kinder reagieren verständlicherweise sehr viel empfindlicher als Erwachsene. Für sie sind leichte Bitterstoffe schon völlig ausreichend. Es sollte stets die individuelle Dosierung ermittelt werden, allerdings ist eine zu geringe Dosierung wenig wirkungsvoll, eine Überdosierung in der Wirkung auf die Verdauung gegensätzlich. Eine mittelalterliche Dosierung lautete: je kranker der Mensch, desto bitterer die Arznei.

 

Zum Glück gibt es für unsere Geschmacksknospen Kombinationen von Bitterstoffen und Aromen. Der Wermut würzt unseren fetten Braten mit seinen ätherischen Ölen, der Gelbwurz lässt sich gern ins Currypulver mischen und die Ingwerwurzel bringt feurige Schärfe ans Essen. Pfarrer Künzle (1857-1945) lobte den Wermut (nicht für Schwangere):

 

„Den Wermut schätzt man oft als Wein, als Tee kann er noch besser sein, für süße Nascher und für alle, die bitter brauchen für die Galle. Nimm vor dem Essen einen Schluck, auch danach – das ist genug!“

 

Für eine richtige Wirkung ist allerdings einiges zu beachten. Bitterstoffe sind hitzeempfindlich, darum haben sich wohl Aperitifs und Digestifs so gut bewährt. Sie können nur richtig wirken, wenn sie eine ½ Stunde vor dem Essen eingenommen werden. Das Wasser soll einem schließlich im Mund zusammenlaufen. Also den Magenbitter nicht nach dem Essen einnehmen!!! Nach ca. 4 Wochen muss ein Bittermittel ausgetauscht werden, da unser Organismus sich daran gewöhnt hat und die Wirkung deutlich abnimmt. Menschen mit Magen- und/oder Zwölffingerdarmgeschwüren dürfen keine Bittermittel essen.

 

© Heidi Schröder