Lichtgestalten Juni 2012


Von Lichtgestalten und Nachtschatten

 

Es sind die längsten und hoffentlich sonnenreichsten Tage des Jahres, die Tage um die Sommersonnenwende. Schon von unseren Ahnen als St. Johanni am 24. Juni jeden Jahres gefeiert. Die Sonne verheißt Leben, sie lässt wachsen und reifen, bringt Gesundheit und Freude ins Gemüt. Ganz besonders wurden die Kräuter geschätzt, die zu diesem Zeitpunkt herum erblühten. Eine der wichtigsten Pflanzen in diesem Zusammenhang ist das Johanniskraut (Hyperikum). Besitzt es doch die Möglichkeit die Kräfte des Sonnenlichts zu speichern und es an den menschlichen Organismus abzugeben. Das Hypericin ist dafür verantwortlich, ein roter Farbstoff, der beim Zerreiben der frischen Blüte austritt. Heute weiß man, dass Hypericin den Stoffwechsel aktiviert und Sauerstoff an die Zellen abgibt.  In lichtarmen Wintermonaten kann Johanniskraut eine depressiv verstimmte Seele erhellen.

 

Das Johanniskraut kann noch viel mehr. Traditionell in Olivenöl angesetzt, ist das ROTÖL wundheilend, schmerzstillend, nervenstärkend und krampflösend. Es sollte bei keinem Familienausflug fehlen, denn es ist ein hervorragender Helfer bei kleinen Blessuren wie Schürfwunden, Blutergüssen oder einem Muskelkater.

 

Hier das uralte, immer noch beliebte Johanniskrautölrezept:

 

Frische Johanniskrautblüten werden mit kaltgepresstem Olivenöl großzügig übergossen. Mindestens 3 Wochen auf die sonnendurchflutete Fensterbank stellen, täglich durchrühren und die Blüten stets von Öl bedeckt sein lassen. Das Öl färbt sich nun immer mehr rot. Nach der Ziehzeit abpressen. In farbiger Glasflasche dunkel lagern.

 

Sonnenpflanzen haben es gut, man mag sie einfach. Jeder will sie haben, aber auch hier ist die Dosierung wichtig, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Kühe z.B., die sehr viel Johanniskraut fressen, bekommen einen Sonnenbrand! „Schattenkräuter“ wie die Sippe der Nachtschattengewächse will kein Mensch. Schon der Gattungsname ist Programm. Wir fürchten die dunkle Nacht. Unsere Fantasie bringt Unheimliches hervor.  Heilkräuter wie das Bilsenkraut (Hyoscyamus) oder die Tollkirsche (Belladonna) genießen schon deshalb keinen guten Ruf, außerdem sind sie sehr giftig und wurden zur Behandlung von Wahnsinnigen eingesetzt. Damit möchte niemand etwas zu tun haben. Allerdings brachten sie auch großen Nutzen für leidende Menschen. Das Bilsenkraut zählt zu den ältesten bekannten Heilpflanzen der Menschheit. Es wurde als wertvolles Schmerzmittel geschätzt. Im Mittelalter diente es als Narkotika und reizte wegen der halluzinierenden Wirkung so manche Scharlatane Bilsenkraut („Bils“ =Pilz) ins Bier zu mischen. Erst das Reinheitsgebot fürs Bierbrauen beendete diesen Spuk. Das hat dem Ruf des Krautes sehr geschadet, außerdem war die geeignete Dosierung stets ein Problem. Nur sehr gute Kenntnisse über die Wirkweise und seine Anwendung sicherten eine nicht tödliche Behandlung.

Homöopathische Zubereitungen sind heute für uns eine echte Alternative. Wer kennt nicht das homöopathische Mittel Belladonna für fiebernde Kinder im Delir? Eines von vielen Mitteln für fiebrige Infekte, aber auch leider viel zu häufig und unnötig gegeben. Auch wenn die homöopathische Arznei nicht die tödliche Bedrohung darstellt, sollte nicht vergessen werden, was das Belladonnakraut in frischem Zustand anrichtet.

 

 

© Heidi Schröder